DBZ 05/2014 - Architektur | Fondation Louis Vuitton, Paris/FR
Die Fondation Louis Vuitton im Jardin d‘acclimatation im Bois de Boulogne in Paris © Louis-Marie Dauzat |
Architektur des Luxus
Fondation Louis Vuitton, Paris/FR
Für die Kollektion der Fondation Louis Vuitton pour la
création wünschte sich Bernard Arnault ein außergewöhnliches Gebäude. Deshalb
beauftragte er niemand geringeren als Frank Gehry mit dem Entwurf eines
passenden Gebäudes für den Jardin d‘acclimatation im Bois de Boulogne im Westen
des Stadtzentrums von Paris.
Text von Michael Koller, Den Haag/NL
Bernard Arnault – der reichste Mann Frankreichs – ist
Aufsichtsratspräsident und Vorstandsvorsitzender der börsennotierten,
französische Aktiengesellschaft LVMH, Mäzen und Sammler zeitgenössischer
Kunstwerke.
Moët Hennessy-Louis Vuitton ist weltweiter
Branchenführer in der Luxusgüterindustrie und besitzt die Mehrheitsrechte an
über 60 verschiedenen Luxusmarken, wie unter anderem dem
Lederartikel-Hersteller Louis Vuitton, den Champagner-Fabrikanten Moët &
Chandon, dem Cognac-Hersteller Hennessy, Christian Dior und nicht zuletzt
Givenchy.
2001 entstand bei einem Treffen zwischen Bernard
Arnault und Frank Gehry die Idee zum Bau der Fondation Louis Vuitton. Nach der
offiziellen Gründung der Fondation im Oktober 2006 und der Projektpräsentation
vor dem Kulturminister Frankreichs und dem Pariser Bürgermeister, begann die
Idee konkrete Formen anzunehmen. Die Stadt Paris schloss mit der Fondation im
darauffolgenden Dezember einen Vertrag zur Nutzung einer 1ha großen Parzelle im
Jardin d'acclimatation über einen Zeitraum von 55 Jahren ab.
Modell Blick auf die Nordfassade © Gehry Partners LLP |
Das ausgeführte Gebäude- Blick bei Nacht © Louis-Marie Dauzat |
Eine erste Baugenehmigung für das Projekt wurde im
August 2007 erteilt, wodurch der Bau im März 2008 mit der Aushebung der
Baugrube und den Fundamentarbeiten beginnen konnte. Kurz vor der Fertigstellung
des Rohbaus 2011 wurde die erste Baugenehmigung durch das Verwaltungsgericht
aufgehoben, wodurch der Bau zwischenzeitlich zum Stillstand kam. Nach einer
Intervention seitens verschiedener Politiker und der Erteilung einer zweiten
Baugenehmigung konnte das Projekt mit den Arbeiten am Stahlgerüst der
„Eisberge“ fortgesetzt werden. Nach der Fertigstellung der Schalen der Eisberge
und der Ummantlung mit den Ductal®-Platten begannen 2012 die Arbeiten an der
Konstruktion der
„Glassegel“.
Auf die Unterkonstruktion wurden die 12 Glassegel fixiert © David Guichard |
Entwurfsidee
Frank Gehry hat ein Gebäude entworfen, das durch seine
Ausstrahlung und Einzigartigkeit schon ein Kunstwerk darstellt.
An der Avenue Mahatma Gandhi gelegen, markiert das
Gebäude den Übergang zwischen dem Wald und dem Park „Jardin d'Acclimatation“,
der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angelegt wurde. Aufgrund seiner
einzigartigen Lage musste die Architektur und die Materialverwendung eine
Beziehung zum historischen Baumbestand und zum Park herstellen.
Frank Gehry ließ sich in seinem Entwurf von zwei
Grundideen leiten: zum einen hatte er die vom Wind prall gefüllten Segel einer
amerikanischen „Class J“-Jacht vor Augen. Zum anderen ließ er sich von der
leichten, transparenten Pariser Glasarchitektur des ausgehenden 19.
Jahrhunderts, wie dem Grand Palais, dem Palais d'Hiver und dem Palmarium im
Jardin d'Acclimatation selbst inspirieren.
Aus diesen beiden Leitideen und nach unzähligen
Modellstudien entstand ein Art Schiff, das aus einem soliden Inneren, den
sogenannten „Eisbergen“, und einer halbtransparenten Hülle aus Glaselemente,
den „Glassegeln“ besteht.
3D Längsschnitt
|
Eisberge und Segel
Das Gebäude entwickelt sich auf einer Gesamtnutzfläche
von 8 637 m². In insgesamt 11 Sälen werden in Zukunft die Kunstwerke der
Sammlung von LVMH ausgestellt, sowie in temporäre Ausstellungen die Werke
zeitgenössischer Künstler präsentiert. Zusammen mit dem 350 Sitzplätze
umfassenden Auditorium stehen der Museumsgestaltung 3 850 m² zur Verfügung.
Die Bauvorschriften erlaubten an dieser sensiblen
Stelle ein Bauwerk, dass auf der einen Seite die Größe des alten Gebäudes von 4
000 m² nicht überschreiten durfte und auf der anderen Seite nicht mehr als ein
Obergeschoss mit Mezzanin besitzen durfte. Um die geforderten Ausstellungs- und
Funktionsräume unterbringen zu können, war die effiziente Nutzung der
Untergeschosse unumgänglich.
Das 2. Untergeschoss wird mehrheitlich von den
verschiedenen Technikräumen eingenommen. Daneben findet man auf diesem Geschoss
noch Ateliers, Lager, Archive, Garderoben, Wartungsräume und nicht zuletzt die
Technik für die Unterkonstruktion der flexibel zu organisierenden Sitzreihen
des Auditoriums.
Im Stockwerk darüber, dem 1. Untergeschoss, wurden
bereits erste Ausstellungsräume, sowie das 350 Sitzplätze fassende Auditorium
situiert. Die großen Geschosshöhen erlaubten die Anordnung von
Zwischengeschossen an den Gebäuderändern für Büro- und Konferenzräume sowie
Toiletten.
Grundrisse |
Auch im Erdgeschoss, dessen Ausstellungsräume eine
durchschnittlich Deckenhöhe von 5,50 m besitzen, wurden laterale
Zwischengeschosse für die Personal-, Künstler-, Lager- und VIP-Räume
eingezogen. Auf dieser Ebene befinden sich neben dem Haupteingang des Museums
auch das Besucherfoyer, der Museumsshop und ein Café. Die darüberliegenden, in
ihren Höhen versetzten, ersten Obergeschosse sind neben diversen Technikräumen
den Ausstellungen vorbehalten. Durch die Höhenversprünge, die unterschiedlichen
Deckenhöhen der Säle, die von 6,40 m bis 9,00 m reichen und die turmartigen
Erhöhungen der Ausstellungsräume bis zu 17 m, entstand darüber eine begehbare
und zum Teil begrünte Dachterrassenlandschaft, die den Besuchern weite
Ausblicke auf Paris und La Défense erlauben. Am höchsten Aussichtspunkt
befindet sich der Besucher rund 32 m über dem Straßenniveau.
Die Montage der Glasflächen folgte einem bis ins Detail festgelegten Montageplan © David Guichard |
Sechs Bauabschnitte
Die Bauarbeiten begannen mit dem Abriss des
bestehenden Gebäudes und dem Ausheben von etwa 100.000 m³ Erde um eine 15 m
tiefen Baugrube zu schaffen. In diese Baugrube wurde in einem ersten
Bauabschnitt eine 2,60 m hohen und rund 4 100 m² große, stark bewährte und auf
17 Punktfundamenten auflagerte Stahlbetonplatte (175kg/m³) gegossen. Die
Verwendung hochfesten Betons (C25/30) war notwendig um die punktuell
angreifenden Lasten und Bewegungen des Hochbaus aufnehmen zu können und die
Toleranzen unter 2 cm zu halten. Auf dieser Stahlbetonplatte wurde daraufhin
das Technikgeschoss errichtet, das mit dem 20 cm tiefen Wasserbassin, in dem
das Gebäude zu stehen scheint, abschließt.
Während des zweiten Bauabschnitts wurde – von Westen
nach Osten – die primäre Tragstruktur aus Stahlfachwerken und Stahl- bzw.
Stahlbetondecken errichtet. Während der dritten Bauetappe wurden auf diese
Primärtragstruktur im Kern des Bauwerks die verschiedenen, schrägen Träger und
Stützen für die Errichtung der Glassegel montiert. Diese durchbrechen die
sekundäre Tragstruktur, bestehend aus den tragenden und mit Ductal®-Platten aus
hochfestem, faserverstärktem Beton verkleideten Außenwände, die im vierten
Bauabschnitt realisiert wurde. Um die tragenden, vorgefertigten Wände der
„Eisberge“ bauen zu können wurden sie als transportfähige Einzelsegmente mit
einer maximalen Länge von 14 m und einer maximalen Breite von 2,50 m entworfen.
Die Stahl- und Holzbalken für die Unterkonstruktion der „Glassegel“ © David Guichard |
Die mehrfach gekrümmten Sandwichpaneele bestehen aus
einem Stahlfachwerk, das außenseitig mit einer 3 mm starken Metallplatte
überzogen ist. Die darüberliegende 17 cm dicke Steinwollisolierung ist wiederum
mit einer Aluminiumfolie und mit EPDM-Dichtungsbahnen abgedeckt. Nach der
Fertigstellung der Eisberge, wurden die Aluminiumhalterungen für die etwa 19
000 Ductal®-Platten fixiert.
Im fünften Abschnitt wurden die Stahl- und Holzbalken
für die Unterkonstruktion der 12 „Glassegel“ fixiert. Die letzte Etappe bestand
schließlich aus der Montage der Glasflächen nach einem streng vorgeschriebenen
und bis ins Detail ausgearbeiteten Montageplans.
Am 18. Dezember 2013 wurde der letzte Stein gelegt und
das Gebäude am 28. 2. 2014 offiziell an den Eigentümer übergeben. Bis zur geplanten Eröffnung im Oktober 2014 müssen
noch die Ausstellungsräumlichkeiten und verschiedene Landschaftselemente
fertiggestellt werden.
3-D Modelling
|
Die Bedeutung und Tragweite des Bauwerks, sowohl auf
architektonischer als auch technischer Ebene kann wohl daran gemessen werden,
dass die Architekturfakultät der Harvard Universität die Fondation bereits in
ihr Studienprogramm aufgenommen hat. Sicher ist, dass alleine das Gebäude der
Fondation Louis Vuitton ein neues architektonisches Highlight der französischen
Hauptstadt werden wird.
BAUDATEN
Objekt: Fondation
Louis Vuitton, Paris/FR
Standort: Paris/FR
Bauherr/Nutzer: Fondation
Louis Vuitton: Private Kunstsammlung + zeitgenössische Ausstellungen
Architekt: Frank
Gehry, Gehry Partners LLP, Los Angeles/USA
Ausführendes
Architekturbüro: Studios Architecture, Paris/FR
Generalunternehmer: Vinci
Constructions, Paris/FR (www.vinci-construction.com)
Innenarchitektur: Gehry
Partners in Zusammenarbeit mit Studios Architecture und Wilmotte und
Assoziierte (www.wilmotte.com) (Café und Buchshop)
Planungs-und
Bauzeit: 2008-2014
FACHPLANER
Primäre
Tagstruktur: Setec Bâtiment, Paris/FR (www.batiment.setec.fr)
Tragstruktur
Glassegel: Eiffage Construction Métallique, Paris/FR (www.eiffagemetal.com)
Planung
Glasfassade und Gebäudefassade (Ductalfassade): RFRGroup, Paris/FR (www.rfr-group.com), TESS
(Glassabdeckung)
Heizung: ContraCosta,
Oakland/USA (www.contracostaheating.com)
Lichtplanung: L‘Observatoire
International, New York/USA (www.lobsintl.com)
Technische
Gebäudeausrüstung: Santerre Bâtiment, Ham/FR
PROJEKTDATEN
Grundstücksgröße: 10 000 m²
Nutzfläche
gesamt: 8 637 m²
Hauptnutzfläche
HNF (11 Ausstellungsräume): 3 267 m²
Nebennutzfläche
NNF (Auditorium): 563 m²
Nebennutzfläche
NNF (Grotto): 647 m²
Funktionsfläche
FF (Empfang Gruppen, Besucherfoyer, Buchladen, Café/Restaurant, Garderoben,
Toiletten): 1 649 m²
Verkehrsfläche
VF: 1 646 m²
Nebennutzfläche
NNF (Studio): 38 m²
Nebennutzfläche NNF
(Terrassen): 865 m²