FORUM - INTERVIEW - heri&salli, Wien/AT

Heribert Wolfmayr und Josef Saller
© Larry R. Williams
 
ARCHITEKTUR UND RAUM MÜSSEN MÖGLICHKEITEN BIETEN
Heribert Wolfmayr und Josef Saller beschreiben ihre Projekte als eine Arbeit von „architektonischen, räumlichen und temporären Konzepten, welche ihr tatsächliches Ziel erst im realisierten, dem Menschen gegenübergestellten Objekt erreichen". Sie argumentieren, dass das Material erst durch sein Gegenüber seinen Sinn und seine ­Aufgabe erhält und der Mensch als aktiver Teil immer wieder zur Ursache für ein architektonisches Konzept wird. Ein ­Arbeits- und Architekturverständnis, das eigentlich jedem Architekten und jeder Architektur eigen sein sollte.

Michael Koller im Gespräch mit Heribert Wolfmayr und Josef Saller

Wie kommt es zu eurem ungewöhnlichen Büronamen heri&salli? Ist eure Beziehung genauso turbulent wie die von Harry and Sally?
heri: Müssen wir wirklich darauf eingehen?
salli: Die Geschichte ist relativ einfach: Gegen Ende unserer Studienzeit hat sich abgezeichnet, dass wir längerfristig zusammenarbeiten werden. Zur Präsentation unserer Arbeiten haben wir nach einer Kommunikationsplatform im Internet gesucht. Heri und Salli waren schon immer unsere Spitznamen. Und was ursprünglich eher als ein temporärer Namen gedacht war, hat sich über die Zeit bewährt.
heri: Damals prophezeite man uns auch, dass wir mit einem derartigen Büronamen nie etwas Richtiges bauen werden können …

Hat es da anfänglich keine Verwirrungen bezüglich des Namens gegeben? Habt ihr mit der Namensähnlichkeit auch bewusst gespielt?
heri: Probleme haben wir damit nicht wirklich gehabt. Es hat dazu geführt, dass wir uns dann doch gemeinsam den Film angeschaut haben. Das wurde für uns quasi zur Pflichtaufgabe.
salli: Für die Ankündigung unseres ersten Vortrags in Salzburg, wo unsere Arbeit so richtig begonnen hat, haben wir das Foto einer Filmszene verwendet, um richtigzustellen, dass wir nichts mit Harry and Sally zu tun haben. Aber das war einmalig.

Warum habt ihr eurer Büro in Wien gegründet? Ihr habt doch beide in Graz studiert. Wäre Graz keine Option gewesen?
heri: Ich habe sehr gern in Graz studiert und würde das auch wieder tun. Nach dem Ende des Studiums gab es aber keinen zwingenden Grund, dort zu bleiben, zumal wir unser erstes Projekt in Salzburg hatten und sich dann einfach Möglichkeiten in Wien aufgetan haben.
salli: Ich habe gegen Ende meines Studiums auch an anderen europäischen Hochschulen studiert und an verschiedenen Ort gelebt und gearbeitet. Das hat mich sicherlich beeinflusst. Danach waren für mich die Architekturdiskursionen und das Architekturschaffen in Graz ausgeschöpft und lieferten mir nicht genug Substanz. Ich wollte aber in Österreich bleiben, und Anfang 2000 gab es in Wien ein anregendes Architekturgeschehen.

Ihr habt einen für Architekten und Bauingenieure eher unüblichen Werdegang. Wie kam es eigentlich dazu, dass ihr als TU-Abgänger mit künstlerischen und konzeptuellen Projekten begonnen habt?
heri: Das haben wir nicht bewusst so entwickelt. Wir wurden einander erst gegen Ende unserer Studien vorgestellt, weil jemand anderer davon überzeugt war, dass wir beide ganz gut zusammenarbeiten könnten, was auch zutraf. Daraus ist dann auch unser erstes Projekt,
mukii & wuki, bei dem wir eine Straße der Grazer Innenstadt verstopft haben, entstanden. salli: Ich bin als klassischer HTLer nach Graz gekommen. Ich habe dann auch aus einem gewissen Pragmatismus heraus den ersten Abschnitt absolviert, ohne mir bewusst Gedanken darüber zu machen, was es eigentlich heißt, ein architektonisches Konzept zu entwickeln. Erst durch eine Lehrveranstaltung am Kunstgeschichteinstitut, in der es um die Suche nach Urbanität in Wien ging, begann ich mich mit anderen Zugängen zur Architektur zu beschäftigen. Ich habe mich sozusagen im Nachhinein, gerade auch durch mein Studium an der Hochschule der Künste in Berlin, mit Kunst auseinanderzusetzen begonnen. Wie mir später klar wurde, war das für mich auch der Zeitpunkt, an dem ich Graz gedanklich verlassen habe.


Eine selbstkritische Betrachtung der Projekte ist in unserem Beruf unser Erfahrung nach ganz entscheidend. Man muss sich und seine Arbeit tatsächlich regelmäßig hinterfragen.


Ein großer Teil eurer Projekte entstehen aus Eigeninitiativen, die Themen eurer Arbeiten sucht ihr euch selbst, oder?
salli: Unsere ersten Projekte sind alle aus Eigeninitiativen entstanden, während heute viele Nachfolgeaufträge sind. Wir arbeiten sehr viel mit Themen. So ist das Thema der Landschaft, sei es nun eine künstliche oder eine natürliche, etwas, was uns beide von jeher sehr stark interessiert.
heri: Genauso hat uns das Thema „Der Mensch im öffentlichen Raum“ immer schon fasziniert, wobei wir das in unseren ersten Projekten nicht bewusst gesucht haben, das hat sich eher so ergeben.
salli: Für unsere Arbeit an einem Thema oder Projekt ist es auf jeden Fall entscheidend, dass wir eine Art Grundemotion gegenüber dem Menschen, dem Ort oder der Aufgabenstellung entwickeln können.
Die meisten eurer Arbeiten sind eigentlich Raum- oder Landschaftsinstallationen, also Arbeiten, die euch als Künstler definieren.

Wie seht ihr euch selbst?
heri:
Die Frage, ob wir jetzt Künstler oder Architekten sind, stellt sich für uns nicht und hat auch keine Bedeutung. Das ist eine reine Definitionsfrage der beiden Begriffe. Wahrscheinlich kann man manche unserer Projekte eher der Kunst zuschreiben, während andere eher als Bauwerke gelesen werden können.
salli: Ich habe mir mit der Unterscheidung dieser beiden Domänen immer schon schwergetan. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass wir in einem Grenzgebiet zwischen Kunst und Architektur arbeiten. Essenziell ist für uns, dass wir an ein Projekt wie das Flederhaus gleichermaßen herangehen wie an ein Projekt Zebrastreifen oder ein Projekt mukii & wuki, nur dass dann noch andere Parameter wie Lebensdauer, Funktionalität etc. dazukommen.

Die Definition eurer Arbeitsthese ist sehr kraftvoll. Was bedeutet sie in der Umsetzung?
salli: Der Satz macht vor allem dann Sinn, wenn man ihn im Grenzbereich zur Kunst sieht. Für uns ist es entscheidend, dass ein realisiertes Objekt nicht nur für sich steht, sondern dass es vom Menschen betreten und benützt werden kann und auf keinen Fall ein unantastbares Schaustück wird, nur dann sind wir mit dem Ergebnis zufrieden.
heri: An der Erarbeitung und dem Inhalt eines Konzepts steht für uns die Frage nach dem Gegenüber im Zentrum. Es gibt für uns seit dem Kugelprojekt in Graz immer ein Gegenüber. Damals ging es uns nicht um die Idealisierung der Kugel, oder die symbolische Darstellung der Welt, sondern dass sie in einem Raum steckt, an etwas angrenzt und etwas in diesem öffentlichen Raum bewirkt.
salli: Wir haben immer einen Raum als Verständnis, wir beschäftigen uns mit Raum. Über dieses Raumverständnis bewegen wir uns von einem Projekt zum nächsten.

Das Entscheidende ist also das Konzept, egal ob es sich um eine Installation oder um ein Wohnhaus handelt?
heri: Wir haben bei allen unseren Arbeiten nur das Konzept vorgegeben. Welche konkreten Auswirkungen es dann auf seine Umgebung hat, war von uns nicht vorherbestimmt. Für uns ist es wichtig, dass ein Konzept Möglichkeiten bietet, Eingriffe zulässt, ohne dass es sich selbst verändert. Daraus folgt unserer Auffassung nach, dass auch Architektur oder Raum allgemein, verschiedene Möglichkeiten bieten sollte. So könnte man beim Hausplatz Jordan mehr Bewegungen und Funktionen hinzufügen, ohne dass das Konzept zerstört werden würde, selbst wenn das Ergebnis anders aussehen würde. Wir verstehen Architektur als Räume von Möglichkeiten und nicht als Ideale, die nichts mehr vertragen, außer dass sich der Mensch darin ideal bewegt.
salli: Die Schwierigkeit besteht darin, Möglichkeiten zu bieten, ohne dass dabei das Konzept einer Banalität und Beliebigkeit verfällt. Das ist ein Ausloten, wie weit man mit einem Konzept gehen kann, ohne die Grenze der Banalität zu überschreiten.


Wir haben immer einen Raum als Verständnis, wir beschäftigen uns mit Raum. Über dieses Raumverständnis bewegen wir uns von einem Projekt zum nächsten.
Ihr arbeitet sehr viel mit Landschaft. Woher kommt das? Fühlt ihr euch besonders stark der österreichischen Landschaft verbunden?
salli: Der Begriff Landschaft ist in erster Linie eine Definitionsfrage. Landschaft beziehe ich nicht nur auf einen physischen Ort oder auf eine flache oder gebirgige Umgebung, sondern auf das Zusammenspiel zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen, also einer natürlichen Umgebung und einer künstlichen Intervention. Landschaft ist natürlich nicht nur Idylle, sondern kann auch das Negative, die Zerstörung sein. Um diese Problematik herum versuchen wir Konzepte für Projekte zu entwickeln, die es uns gleichzeitig erlauben, das Thema zu erforschen. Wir haben das Thema Landschaftsinstallationen als solches nicht als unseren Arbeitsschwerpunkt definiert, es ist aus einem natürlichen Interesse dafür entstanden.
heri: Wahrscheinlich darf man den Einfluss der Landschaft nicht ganz unterschätzen. Ich weiß nicht, ob das durch meine Herkunft aus dem Eferdinger Becken kommt, aber die Ebene ist etwas, was mich nach wie vor fasziniert. Es ist eine Landschaft, die mir vertraut ist, während ich mich in den Bergen eingeengt fühle.

Ihr realisiert momentan auch einen sozialen Wohnbau. Beginnt für euch damit eine neue Phase eurer Arbeit?
salli: Wir sehen schon, dass immer mehr klassische Architekturprojekte auf uns zukommen. Nach fast zehnjähriger Arbeit mit Installationen, die nicht immer gebaut worden sind, ist das natürlich eine Herausforderung. Aber es ist nicht so, dass wir in eine neue Schaffensperiode eintreten und deshalb in Zukunft keine Installationen mehr entwerfen werden. Wir wollen das sehr offen halten und uns davon überraschen lassen, was noch auf uns zukommt.
heri: Wir haben zum Unmut mancher unserer Architektenkollegen ja von Anfang an immer gesagt, dass wir Architektur machen. Architektur hat mit der Begrifflichkeit und dem Begreifen von Raum zu tun. Über die Installationen haben wir die Begrifflichkeit des Raums abgetastet. In den Architekturprojekten, die wir momentan machen, kommen diese Dinge sehr wohl wieder vor. Was sich sicherlich ändert, ist die Dimension.

Ein sozialer Wohnbau ist aber trotzdem eine sehr spezielle Dimension mit etlichen Zwängen.
heri:
Der Wohnbau war sicherlich eine große Zäsur für uns, weil wir natürlich sehr viel Energie und Zeit hineingesteckt haben, um ein optimales Ergebnis zu erzielen, aber gewisse Parameter des geförderten Wohnbaus nicht gesehen haben. Dieses Projekt hat auch eine Neuorganisation unserer Arbeitsprozesse gefordert. Es hat lange gedauert, bis wir endlich zu einem Punkt kamen, an dem wir den Entwurf so akzeptieren konnten, wie er war.

Ein Test also?
heri: Das Bauen ist insofern verfänglich, weil man, sobald die Mauern aufgezogen werden, vergisst zu hinterfragen, ob ein Gebäude, eine Installation gut steht, so wie sie steht, selbst wenn sie bereits abgeschlossen ist. Das Konzept dahinter spielt dann keine Rolle mehr und wird außer Acht gelassen.
salli: Eine selbstkritische Betrachtung der eigenen Projekte ist in unserem Beruf unserer Erfahrung nach ganz entscheidend. Man muss sich und seine Arbeit regelmäßig hinterfragen. Aber wenn man das nicht bewusst tut, kommt es ohnehin von selbst.

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