FORUM – SKIN 06/2017 – Auditorium AZ Groeninge, Kortrijk/BE


Die geschwungene Ortbetontreppe verbindet die beiden Geschoße.

Backsteinskulptur im grünen Gras
SELBSTBEWUSSTES ZEICHEN - Das Auditorium des belgischen Architekturbüros Dehullu Architecten mit seinen 230 Plätzen ist Teil eines Kongresszentrums für das Allgemeine Krankenhaus in Kortrijk und ergab sich als Folgeauftrag des Umbaus der auf demselben Grundstück gelegenen historischen Villa für die Nutzung als Seminarzentrum.

FOTOS: DENNIS DE SMERT
BAUSTELLENFOTOS UND PLÄNE: DEHULLU ARCHITECTS
TEXT: MICHAEL KOLLER

Das hellgraue Volumen des Auditoriums mit seinem trapezförmigen Grundriss und seinen abgerundeten Ecken scheint wie eine steinerne Skulptur in den grünen Rasen versenkt worden zu sein. Die rundliche Form des Bauwerks ergab sich laut Bert Dehullu, Gründer von Dehullu Architecten, in erste Linie aus rein technischen Überlegungen heraus.


Unter der angehobenen Ecke des Auditoriums sollten ursprünglich noch Autoabstellplätze untergebracht werden.

Um eine optimale Akustik garantieren zu können, verbreitet sich das Volumen vom Podium bis zum Regieraum. Der Tribüne des Auditoriums verlieh man zwei unterschiedliche Neigungen, eine flachere zwischen dem Untergeschoß und dem Zugang im Erdgeschoß sowie eine etwas steilere zwischen dem Quergang auf Höhe des Erdgeschoßes und dem Bereich des Regieraumes. Aber die Architekten wollten dem Bauwerk mit einer Gesamtfläche von lediglich 2.300 Quadratmetern auch eine eigene Identität und Atmosphäre geben, die mit der streng orthogonalen Form des benachbarten Allgemeinen Krankenhauses optisch und physisch kontrastieren sollte. Bert Dehullu wollte damit das Krankenhauspersonal aus dem täglichen Arbeitsumfeld des Spitals – das vom österreichischen Architekturbüro Baumschlager Eberle entworfen und in mehreren Bauphasen errichtet wurde – in eine entspannende Umgebung entführen.

Die hermetisch geschlossenen Außenmauern des Auditoriums und des Büffetbereichs links und rechts des Haupteingangs im Erdgeschoß unterstreichen den skulpturalen und massiven Charakter des Bauwerks.

VERSCHMELZUNG VON ALT UND NEU
Das Auditorium, das als Zubau zur Villa in einer zweiten Bauphase realisiert wurde, hat zwei Geschoße. Der eigentliche Haupteingang auf der Südostseite befindet sich im Erdgeschoß, das durch das Erdgeschoß der Villa als solches auf demselben Niveau definiert wurde. Die zweite Geschoßebene liegt um rund 3,15 Meter tiefer und besitzt seinen Zugang auf der Nordwestseite, in Entsprechung des dort anlegten Parkplatzes.
Eine großzügige, in Beton gegossene und geschwungene Treppe überwindet den Höhenunterschied zum Erdgeschoß und leitet die Zuhörer direkt zu den Eingängen des Hörsaals. Im Untergeschoß sind auch die Servicebereiche der Küche, wie Zulieferung und diverse Kühl- und Lagerräume untergebracht. Sie nehmen ebenso wie die Sanitärbereiche den Raum zwischen Auditorium und Kellerbereichen der Villa ein. Über einen Lift werden die Speisen von der Küche in den Büffetbereich transportiert, der die Verbindung zwischen den beiden Gebäuden herstellt. Auf dem Grundriss des Erdgeschoßes erkennt man deutlich wie die südostseitige Außenwand der Bar die nordwestseitige Mauer des Treppenhauses formal fortsetzt.


Die nordwestseitig gelegene Fassade des Büffetbereichs öffnet sich über eine raumhohe Verglasung in Richtung Garten.

Im Gegenzug zur geschlossenen südostseitigen Mauer wurde die nordwestseitige Wand des Barbereichs als durchgehende Glasscheibe mit Blick auf den grünen Garten zwischen dem weiß gestrichenen Altbau und dem grauen Neubau ausgebildet.
Ausgehend von der geschwungenen Form des Auditoriums wurde auch die Mauer rechts vom Eingang des Erdgeschoßes als geschwungene, völlig geschlossene Wand ausgebildet, was die massive Ausstrahlung des Bauwerks noch verstärkt. Die leichte Abhebung des Gebäudevolumens vom Boden im Bereich des Auditoriums steht in Gegensatz zu dieser Massivität und verleiht dem Ensemble eine gewisse Eleganz.

Das Gründach des Servicegeschoßes wird zur begehbaren Rasenfläche zwischen Villa und Zubau.

BETONUNG DER VERTIKALITÄT
Ursprünglich wollten die Architekten die Außenwände als zweischalige Betonwand mit einer dazwischenliegenden Isolierung realisieren. Aus Kostengründen entschied man sich schließlich statt der Sichtbetonfassade in Ortbeton eine Fassade mit gräulichen und vertikal gemauerten Backsteinen zu realisieren. Zusammen mit dem grauen Mörtelbett entstand dadurch ein optischer Eindruck, der jenem einer rauen Betonoberfläche durchaus nicht unähnlich erscheint.


Längsschnitt

Die vertikale Mauerung erleichterte nicht nur die Ausbildung der Rundungen, sondern führt vor allem zu schöneren und leichter auszuführenden Gebäudekanten der diagonal verlaufenden Dachabschlüsse ebenso wie der Gebäudeunterkanten. Die Backsteinfassaden wurden konsequent in das Innere des Foyers und in den Bereich des Treppenaufgangs durchgezogen, was den skulpturalen Charakter des Bauwerks unterstreicht. Die Idee der schmalen vertikalen Linien, die durch das Mörtelbett und die Ziegel an Fassade und Innenwänden entstehen, findet man im Inneren des Auditoriums in Form vertikaler und schallabsorbierender Latten an der Wandverkleidung aus Yellow Poplar, so genanntes Tulpenholz oder Amerikanisches Pappelholz wieder. Öffnungen beschränken sich auf die Glastüren und Glasfronten der Eingänge und des Barbereichs. Daneben wurden nur einige wenige Fenster mit Fixverglasungen im Podiumsbereich des Auditoriums und über dem Stiegenhaus hinzugefügt.


Die Errichtung der doppel- bzw. dreischaligen Backsteinfassaden.

Die vertikal gemauerten, rauen Backsteine erzeugen im wechselnden Sonnenlicht, je nach Abstand und Blickwinkel des Betrachters, den Eindruck einer sanft gepixelten Gebäudehülle und einer leicht flimmernden Oberfläche. Abends werden die im Format der Backsteine in die Außenhaut eingeschnittenen unterschiedlich großen Lichtschlitze zu effektvollen Eyecatchern, die dem Bauwerk eine gewisse künstlerische Note verleihen. 


Schnitt horizontal Fensteranschluss

PROJEKTDATEN
Auditorium Allgemeines Krankenhaus
President Kennedylaan 4, Kortrijk, BE

Bauherr: AZ Groeninge VZW, Kortrijk/B (www.azgroeninge.be)
Architektur: Dehullu Architecten (http://dehullu-architecten.be)
Tragwerksplanung: Igenieursbüro Van Geluwe, Deerlijk/B
TGA: Clauwaert & Co Studiebureau BVBA, Oostende/B
Akkustikplanung: Avitech Acoustics BVBA, Damme/B (www.avitech.be)

Bruttogeschoßfläche: 2.300 m²
Baubeginn: Mai 2012
Fertigstellung: Jänner 2014

Projekbeteiligte Unternehmen
Backsteine: Wapper snowdust von De Saegher (www.desaegher.be)
Akustische Decken: Sonogamma, Baswa Acoustics (www.baswana.com)
Polierte Betonböden: Korodur Deutschland (www.korodur.de), Ausführung: Konkrea (www.konkrea.com)
Bestuhlung Hörsaal: Fibrocit (www.fibrocit.com)

Küchen: Bossuyt grootkeukens (www.bossuytgrootkeukens.be)

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