DBZ 04/2013 – ARCHITEKTUR - Glaskuppel für das Schifffahrtsmuseum Amsterdam
Die Tragstruktur der Kuppel besteht aus einem engmaschigen Netz aus vollen Stahlprofilen © Ney & Partners, Foto Jean Luc Deru |
Eine
niederländische Geschichte
Glaskuppel
für das Schifffahrtsmuseum, Amsterdam/NL
Text
von Michael Koller, Den Haag/NL
Das
Schifffahrtsmuseum auf der Insel Kattenburg, in unmittelbarer
Nachbarschaft des Amsterdamer Hauptbahnhofs, spiegelt die
Vormachtstellung der Niederlande im Welthandel während des Goldenen
Zeitalters, am Übergang des 16. und im 17. Jahrhunderts wider. Der
wirtschaftliche Wohlstand des Landes führte auch zum Aufblühen der
Künste, der Literatur, der Armenversorgung, der Wissenschaften und
nicht zuletzt der Kartografie.
Ein
echtes Museum
Das
imposante Gebäude, das – ähnlich einem Wasserschloss –
allseitig von Wasser umgeben und nur über Fußgängerbrücken
erreichbar ist, wurde 1656 von Daniel Stalpert als Lagerhaus für die
Admiralität Amsterdams entworfen und diente der Lagerung von
Kanonen, Segeln, Flaggen und anderen Ausrüstungsgegenständen für
die Kriegsmarine. Die Gewölbe des Kellers unter dem Innenhof dienten
als 40 000l fassendes Wasserreservoir für die Trinkwasserversorgung
der Schiffe. 1972 bekam das Gebäude offiziell den Status eines
Schifffahrtsmuseums.
Die Tragstruktur des Glasdaches besteht aus einem engmaschigen Netz aus vollen Stahlprofilen und besitzt eine maximale Höhe von nur 5 m bei einer diagonalen Überspannung von 47,94 m © Michael Koller |
Das
Bauwerk war ursprünglich nicht als Museum konzipiert worden. Das
wurde spätestens Ende der 1990er-Jahre sehr deutlich. Unter anderem
machte die fehlende Klimatisierung, der für ein Museum engen
Ausstellungsräume rund um den Innenhof, eine umfassende
Restaurierung und Renovierung des Gebäudes unumgänglich. DOK
Architecten aus Amsterdam unter der Leitung von Liesbeth van der Pol
wurden 2005 mit dem Entwurf für die Renovierungs- und
Restaurierungsarbeiten des historischen Gebäudes beauftragt. Die
Bauarbeiten selbst begannen 2008, 2011 wurde das Gebäude übergeben.
Parallel
dazu wurde 2004 ein geladener Wettbewerb für die Überdachung des
Innenhofes ausgeschrieben, in dem sich Laurent Ney mit seinem Konzept
für eine doppelt gekrümmte Dachschale gegen seine drei Konkurrenten
durchsetzten konnte. Der neue Innenhof dient nun als Treff- und
Orientierungspunkt, in dem sich die Kassen, sowie die Zugänge zum
Museumsshop, dem Restaurant, der Bibliothek und den
Ausstellungsräumen befinden.
Der
1 024 m2 große, dreieinhalb geschossige Raum kann als
Veranstaltungsort genutzt werden. Unter dem neu geschaffenen, ein
Entwässerungssystem intergrierenden Kopfsteinplaster des Innenhofs
befinden sich heute unter anderem die Toiletten und Garderoben des
Museums.
Eine doppelt gekrümmte Dachschale war die Lösung für die Überdachung des Innenhofes © Ney & Partners, Foto BRS Building Systems |
Entwurfsidee
der Dachkuppel
Der
Wunsch des Auftraggebers war es, mit der neuen Kuppel einerseits dem
Gebäude eine architektonische Aufwertung zu geben und gleichzeitig
seinen Status als nationales Baukulturgut zu bewahren.
Mit der leichten und eleganten Dachkuppel wollte Laurent Ney, Direktor von Ney & Partners, zum einen eine Struktur entwerfen, die das existierende Bauwerk in konstruktiver, physischer und chemischer Hinsicht nicht beschädigt und gleichzeitig optisch Ruhe ausstrahlt. Zum anderen sollte die neue Kuppel, als Ausdruck seines Respekts vor der Geschichte des Ortes, die Dächer der existierenden Gebäudeteile nicht überragen.
Mit der leichten und eleganten Dachkuppel wollte Laurent Ney, Direktor von Ney & Partners, zum einen eine Struktur entwerfen, die das existierende Bauwerk in konstruktiver, physischer und chemischer Hinsicht nicht beschädigt und gleichzeitig optisch Ruhe ausstrahlt. Zum anderen sollte die neue Kuppel, als Ausdruck seines Respekts vor der Geschichte des Ortes, die Dächer der existierenden Gebäudeteile nicht überragen.
Diese
beiden Entwurfsansprüche führten zu einer einfachen, genialen
Dachkonstruktion: auf der Basis der Windrosen der antiken Seekarten,
wurde eine, in sich steife Kuppel entwickelt, bei der alle Unterteile
nur auf vertikale Lasten beansprucht werden. Die Tragstruktur des
Glasdaches besteht aus einem engmaschigen Netz aus vollen
Stahlprofilen und besitzt eine maximale Höhe von nur 5 m, bei einer
diagonalen Überspannung von 47,94 m. Dieses Verhältnis der
maximalen Länge zur Höhe von 1:10 ist für eine derartige
Konstruktion sehr flach. Das Dach besitzt einen quadratischen
Grundriss mit einer Seitenlänge von 34,1 m und überdeckt eine
Fläche von 1 165 m². Eine höhere Kuppel hätte das Tragsystem
effizienter gemacht, war aus ästhetischen Gründen nicht gewünscht.
Filigrane
Stahl-Glaskonstruktion
Laurent
Ney ist überzeugt, dass ein guter Entwurf auf starke und klare
Prinzipien aufbauen muss. Prinzipien, die von den Benutzern eines
Gebäudes letztlich selten wahrgenommen werden. Die Ingenieurskunst
besteht laut Ney darin, die exakte Geometrie und Form zu finden, die
die Randbedingungen und die Materialwahl für ein Projekt zu einer
einheitlichen und schlüssigen Geste verbinden. Folglich ist Ney auch
davon überzeugt, dass es eine optimale Form für jede Bauaufgabe
gibt, die nichts mit einer architektonischen Geste zu tun hat,
sondern die aus der Koherenz zwischen Struktur und Architektur
entsteht.
In
der Stahlkonstruktion für das Schifffahrtsmuseum fehlen die
traditionellen in eine Richtung spannenden Träger. Das Prinzip einer
32-teiligen Windrose, so wie sie von den Seefahrern auf ihren
Kompassen verwendet wurde, vereinfachten die Architekten, um zu einem
baubaren System aus Drei-, Vier-, Fünf, und Sechsecke zu gelangen.
Um die Auswirkungen auf die Gebäudestruktur so gering wie möglich zu halten, entwarfen die Architekten eine Randbalkenkonstruktion für die Stahlkuppel, die die vertikalen Lasten gleichmäßig auf das bestehende Mauerwerk verteilt. Sie wurde so gestaltet, dass der Innenhof ohne zusätzlich zu öffnende Glasplatten auskommt. Der Hof wird indirekt durch die Abluft aus den Ausstellungsräumen erwärmt, besitzt also an sich keine aktiven Heiz- oder Kühlinstallationen.Eine Überhitzung des Raumes während der warmen Jahreszeiten wird durch die Glasbeschichtung verhindert. In die Randbalkenkonstruktion wurde auch eine neue Regenrinne integriert, die das Regenwasser der neuen Kuppel und der bestehenden Dachflächen in die Fallrohre an den Gebäudeecken ableitet.
Um die Auswirkungen auf die Gebäudestruktur so gering wie möglich zu halten, entwarfen die Architekten eine Randbalkenkonstruktion für die Stahlkuppel, die die vertikalen Lasten gleichmäßig auf das bestehende Mauerwerk verteilt. Sie wurde so gestaltet, dass der Innenhof ohne zusätzlich zu öffnende Glasplatten auskommt. Der Hof wird indirekt durch die Abluft aus den Ausstellungsräumen erwärmt, besitzt also an sich keine aktiven Heiz- oder Kühlinstallationen.Eine Überhitzung des Raumes während der warmen Jahreszeiten wird durch die Glasbeschichtung verhindert. In die Randbalkenkonstruktion wurde auch eine neue Regenrinne integriert, die das Regenwasser der neuen Kuppel und der bestehenden Dachflächen in die Fallrohre an den Gebäudeecken ableitet.
Die 868 Knoten sind mehrheitlich als hohle Zylinder ausgebildet © Geert Van De Velde |
Das
Gewicht des rund 214 t wiegenden Glasdachs wird über die Fassaden
des Innenhofs ins Erdreich abgetragen. Die Fundamente mussten nur in
den Ecken, dort wo die Lasteinwirkungen am größten sind, verstärkt
werden. An diesen Stellen sind die Stahlprofile auch aus S460
gefertigt, während die restlichen Träger aus S355 bestehen. Die
Stahlkonstruktion selbst wiegt etwa 148 t und die Glaspannele 62 t.
Die 1016 flachen Glaspaneelen bilden eine Oberfläche von ca. 1240
m². Von den allseitig aufgelagerten und festgeklemmten Glasflächen
messen die größten etwa 5,4 m².
Die 868 Knoten sind mehrheitlich als hohle Zylinder ausgebildet (Ø160 mm, Wandstärke 40 mm). In 748 von ihnen wurden zur Beleuchtung des neu geschaffenen Raumes 7W starke LED-Lampen eingebaut. Dies erzeugt einen Sternenhimmel, der seine Farbe computergesteuert verändert. Die Verkabelung der Beleuchtungskörper ist in die Aluminiumprofile der Glashalterungen integriert.
Die 868 Knoten sind mehrheitlich als hohle Zylinder ausgebildet (Ø160 mm, Wandstärke 40 mm). In 748 von ihnen wurden zur Beleuchtung des neu geschaffenen Raumes 7W starke LED-Lampen eingebaut. Dies erzeugt einen Sternenhimmel, der seine Farbe computergesteuert verändert. Die Verkabelung der Beleuchtungskörper ist in die Aluminiumprofile der Glashalterungen integriert.
Um Spannungen und Brüche in den Glasplatten zu verhindern, wurde vor deren Fixierung die Setzung der Stahlkonstruktion abgewartet © BRS Building Systems B.V. |
Montage
2006
entwickelte Chris Williams von der Bath University in Großbritanien
ein 3-dimensional gefaltetes Trägersystem, bei dem alle Stahlprofile
(80% davon sind nur 40 mm dick) vertikal positioniert sind. Das
erleichterte nicht nur den Entwurf der Träger, sondern vor allem
deren Montage. Nach der Ausschreibung 2008, begannen die Bauarbeiten
an der Glaskuppel im September 2009.
Am
1. Juni 2009 erhielt die belgische Stahlbaufirma Anmeco den Zuschlag
für den Bau der Tragstruktur. Aufgrund des limitierten Platzes vor
Ort wurde die Stahlträgerkonstruktion in zwei Hälften aufgebaut.
Zum einen wurde die in 16 Segmente unterteilte Stahlkonstruktion im
Werk vormontiert, in Dordrecht lackiert und mittels Pontons zum
Bauplatz nach Amsterdam transportiert. Vor Ort wurden die
Stahlfachwerke von den Kranschiffen aus montiert. Dafür verwendete
Anmeco einen 700 t schweren Teleskopkran, der die Stahlträger über
eine Distanz von rund 55 m auf eine temporäre Gerüststruktur hob.
Das 20 000 m² bildende Gerüst ermöglichte den sicheren Aufbau des
Daches und unterstützte das Stahlgerippe während der Montage. Ein
Spezialelement bildet der mit CAD-Unterstützung ausgefräßte
Druckring am Scheitel der Kuppel, an dem die 32 Stahlrippen
zusammenlaufen. Zur exakten Positionierung der zwischen der
Randbalkenkonstruktion eingehängten Stahlsegmente wurden
Geometerwerkzeuge verwendet, die die X-,Y-, und Z- Position aller
Knoten kontrollierten.
Die Montage der Stahltragkonstruktion wurde innerhalb von einer Woche abgeschlossen. Um Spannungen und Brüche in den Glasplatten zu verhindern, wurde vor deren Fixierung, die Setzung der Stahlkonstruktion abgewartet.
Dachaufsicht |
Die Montage der Stahltragkonstruktion wurde innerhalb von einer Woche abgeschlossen. Um Spannungen und Brüche in den Glasplatten zu verhindern, wurde vor deren Fixierung, die Setzung der Stahlkonstruktion abgewartet.
Das
Dach fasziniert durch seine filigrane Struktur, die schlanken
Stahlträger und seine Netzstruktur. Bei einem bestimmten
Lichteinfall wirkt das Glas unsichtbar, wodurch der Innenhof
scheinbar nach oben offen ist. Das Dach erinnert an die Eleganz
gothischer Deckengewölbe. Der Entwurf ist ein sehr schönes
Beispiel, wie eine außergewöhnliche Entwurfsidee durch innovativen
Stahl- und Ingenieursbau zu einem herausragenden Ergebnis führen kann.
Eine niederländische Geschichte - www.dbz.de
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